Die Herausforderung, Verschiedenheit zur Bereicherung werden zu lassen

von Björn Hübner

Dass Diversity einen großen Beitrag zum Fortschritt beitragen kann, lässt sich allenthalben immer wieder lesen. In meiner Erinnerung sind dazu Beiträge schon vor über 20 Jahren veröffentlicht worden. Und allem Anschein nach ist es ganz einfach. Bringe einfach Menschen mit unterschiedlichen Merkmalen wie z.B. Alter, Geschlecht, Ethnie usw. zusammen und es wird erfolgreich.

Mein Gedanke dazu ist, dass es herausfordernd ist, Bereicherndes aus Verschiedenheit erwachsen zu lassen. Zum einem ist es ja mit der bloßen Existenz von Unterschiedlichkeit nicht getan. Jede(r) muss sich dafür seiner Unterschiedlichkeit und dem daraus sich ergebenden „Mehrwert“ bewusst sein. Zum anderen ist eine Begleitung zum (An-)Erkenntnisprozess emfehlenswert.

Ich erinnere mich einmal an eine eher zufällige Teambegleitung, da mein Auftrag einen anderen Fokus hatte. Das Team war etwa 10 Personen groß. Damals ging es auch darum, dass das Team nach Synergien suchte, um seine Potenziale noch mehr zu nutzen. In einem Selbsterkenntnisprozess fand das Team heraus, dass es mit „Ordnung und Disziplin“ mehrheitlich lockerer umgeht und es nicht so genau nimmt. Dies zeigte sich schon bei den tagtäglichen Team-Meetings. Bis auf ein Mitglied waren alle grundsätzlich zu spät und nicht auf die Themen der Agenda vorbereitet. Die Unterschiedlichkeit wurde aufgrund der durch mich initiierten Reflektion transparent und die Betroffenheit war groß. Die einzelne Person hatte zum ersten Mal die Gelegenheit ihr Erleben zu teilen und damit auch Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Denn bislang hatte sie sich immer als „Störer“ empfunden. Dies erhöhte die Betroffenheit im Team natürlich noch einmal. Zugleich gab es bei den anderen jetzt die Einsicht, dass sie mit ihrem lockeren Verhalten die Effizienz störten. Es entstand daraus die gemeinschaftliche Überzeugung, dass der Einzelne, ein ganz wichtiger Faktor für die Gemeinschaft war. Er wurde eingeladen, das Einfordern von „Ordnung und Disziplin“ beizubehalten bzw. sogar noch stärker zu zeigen. An dem Punkt hätte man gut sagen können, dass nun die Verschiedenheit zur Bereicherung wurde. Leider war dem nicht so – denn der „Einforderer“ hatte rund 6 Monate später das Team verlassen. Die Person war schlichtweg überfordert mit der Unterschiedlichkeit konstruktiv umzugehen.

Aus dieser Geschichte habe ich viel gelernt und verstanden. Die reine Erkenntnis bzw. Einsicht der Andersartigkeiten ist nur der Einstieg. In dem Beispiel war nämlich der Einzelne die Minderheit in der existierenden Kultur. Und es gab keine oder zu wenig Aushandlung, wie damit wirklich wirklich umgegangen werden soll. Denn es ist nicht trivial für viele von uns, mit persönlich entgegenstehenden Verhaltens- oder Denkweisen konstruktiv auf lange Sicht umzugehen.

Nehmen wir doch einfach einmal das Beispiel von zwei Menschen, welche grundsätzlich entgegengesetzt agieren. Die eine ist eher immer auf der Suche nach neuen, innovativen Dingen während die andere eher Dinge zu Ende bringt und schaut, dass neue Dinge erst einmal zu Routinen werden können. Die Wahrscheinlichkeit, dass diese beiden Personen über kurz oder lang „aneinandergeraten“ ist hoch. Für keine von den beiden ist eine Selbstverständlichkeit, das Verhalten des anderen wertzuschätzen. Und selbst wenn diese Erkenntnis durch eine moderierte Begleitung entsteht, ändert das meist nichts daran, dass sich beide gegenseitig als „Störung“ erleben. Es fehlt nämlich der Prozess der „Aushandlung“, wie man denn in Zukunft mit der Unterschiedlichkeit umgehen wird. Als Wirkung muss hier etwas entstehen, was ich „konstruktiven Egoismus“ nenne. Dahinter steht, dass ich bildlich gesprochen, darauf achte dem anderen genug Raum zu geben und gleichzeitig mich nicht zurück- bzw. rausnehme und meine Kompetenz weiterhin einbringe. Dafür muss häufig erst einmal die Fähigkeit für wertschätzenden Dialog, konstruktive Kritik oder auch Feedback wirksam entwickelt werden. Weiterhin ist es förderlich, wenn das persönliche Ringen um diesen „konstruktiven Egoismus“ gerade am Anfang sichtbar gemacht und die Bemühungen darum gegenseitig gewürdigt werden. Dadurch wird neben dem Anerkennen des Potenzials der Andersartigkeit auch der persönliche Einsatz für das Gemeinsame gewürdigt.

Wenn ich mir dies so für viele mir bekannte Teams vorstellen würde, wird mir klar, dass dieser Prozess nicht trivial wäre. Aber, was wäre erst, wenn es gelänge…

Doch dies sind nur so meine GedankenÜber… Bei Gefallen würde ich mich über ein „Like“ freuen

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2 Kommentare

Luise Meinecke 10. November 2023 - 16:51

Gute Gedanken, sehr interessant

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Björn Hübner 24. Januar 2024 - 17:05

Vielen Dank, das freut mich sehr. Weiterhin viel Freude an meinen Beiträgen

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